12. September 2019 (Donnerstag), 20 Uhr, Storchennest/Schönborner Hof

Zum Mainzer Erzbischof Johann Philipp von Schönborn (1605-1673)

Mit einem Blick auf die Mainzer Hexenprozesse im 17. Jahrhundert

Referent: Prof. Dr. Friedhelm Jürgensmeier

Als Johann Philipp von Schönborn, seit 1642 Fürstbischof von Würzburg und seit 1647 Erzbischof und Kurfürst von Mainz, 1605 im nahe Weilburg und Runkel an der Lahn gelegenen kleinen Taunusort Laubuseschbach geboren wurde, war unter Erzbischof Johann Adam von Bicken (1601-1604) im Erzstift eine erste große Welle der Hexenprozesse gerade zu Ende gegangen. Der Schwerpunkt dieser Hexenverfolgung mit vielfachem Tod lag im sogenannten Oberstift, wo alleine im Raum von Aschaffenburg und Amorbach um 650 als Hexen verurteilte Frauen und in wesentlich geringerer Zahl auch Männer auf dem Scheiterhaufen den Feuertod erleiden mussten. Bis um 1629 folgten im Mainzer weltlichen Territorium zwei weitere schwere Verfolgungswellen. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass die Zahl der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geführten Mainzer Hexenprozesse bis auf annähernd 2000 stieg. Dieser erschreckend hohe Befund lässt erahnen, was es für die verfolgten Menschen in der damaligen Zeit bedeutete, dass Erzbischof Johann Philipp von Schönborn diesem Wahn ein Ende setzte. Als Landesherr setzte er den Prozessen enge Grenzen, duldete keine Hexenverfolgungen mehr und ließ Hexenverbrennung nicht mehr zu.

Mit Johann Philipp von Schönborn, schon zu Lebzeiten wegen seiner herausragenden politischen Leistungen für das Zustandekommen und den Erhalt des mühsam errungenen Westfälischen Friedens als „deutscher Salomo“ und „Vater des Vaterlandes“ gepriesen, waren die Schönborn „arme Westerwälder Edelleute“ wie sie sich später gerne nannten, erstmals in höchste Kirchen- und Reichspositionen aufgestiegen. Eine solch steile Karriere war ihnen nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater Georg, Amtmann im Dienst der Grafen von Wied-Runkel, starb bereits 1613. Seiner jungen Frau Maria Barbara von der Leyen hinterließ er die drei unmündigen Kinder Johann Philipp, Philipp Erwein und Agatha Maria. Der frühe Tod des Gatten veranlasste die Mutter, ihre beiden Söhne zur schulischen Ausbildung nach Mainz zu schicken. Dort besuchten sie spätestens 1616 das Jesuitengymnasium. Johann Philipp, für eine geistliche Laufbahn bestimmt, empfing 1619 die Tonsur und besaß damit damit die Voraussetzung, 1621 ins Würzburger und 1623 ins Mainzer Domstift aufgenommen zu werden. 1623 immatrikulierte er sich gemeinsam mit seinem Bruder für zwei Jahre in Orléans. Zurück in Mainz, wurde Johann Philipp im Mai 1626 zum Subdiakon geweiht und ließ sich im November 1626 als Student der Rechtswissenschaft in Würzburg einschreiben.

Im gleichen Jahr endete im Erzstift Mainz mit dem Tod von Erzbischof Johann Schweikard von Kronberg (1604-1626) die zweite Phase der Hexenverfolgungen. Im Hochstift Würzburg setzte dagegen 1626 unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg (1623-1631) eine besonders schlimme Zeit der Hexenverfolgungen ein.  Das griff auf das Erzstift Mainz über und ließ dort unter Georg Friedrich Greiffenklau von Vollrads (1626-1629) erneut eine Vielzahl von Hexenprozessen aufkommen mit tödlichem Ausgang für Hunderte von Frauen und Männern. Während dieser Zeit waren Johann Philipp und sein Bruder Philipp Erwein von 1628 bis 1629 mit seinem Bruder in Italien und immatrikulierten an der Juristischen Fakultät der Universität in Siena.

Welche Bedeutung damals der Hexenverfolgung zugemessen wurde, zeigt sich daran, dass das Mainzer Domkapitel den neuen Erzbischof Anselm Casimir Wambolt zu Umstadt (1629-1647) durch eine Verfügung in der Wahlkapitulation förmlich darauf verpflichtete, solche Prozesse durchzuführen. Dazu sollte es kaum noch kommen. Ein Grund dafür war, dass 1631 schwedische Truppen in rascher Folge das Hochstift Würzburg und das Erzstift Mainz besetzten und nach Aschaffenburg an Weihnachten auch die Stadt Mainz einnahmen. Gleich den Bischöfen von Würzburg, Mainz und Worms und großen Teilen der Domkapitel und der fürstlichen Regierungen war auch Johann Philipp von Schönborn vor den anrückenden Schweden nach Köln geflohen, wo er bis 1635 blieb.

Nicht sicher ist, ob es je zu einer persönlichen Begegnung zwischen dem jungen Schönborn und dem Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635) kam, dem mutigen Kämpfer gegen den Hexenwahn und Verfasser der 1631 anonym erschienenen „Cautio criminalis“, einer der einflussreichsten Schriften gegen die Hexenprozesse. Sollte es wirklich zu einem Treffen zwischen beiden gekommen, dann kann es nur während dieser Kölner Zeit gewesen sein. Johann Philipp von Schönborn kannte die „Cautio criminalis“. Diese eindringliche Schrift dürfte mit den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Johann Philipp von Schönborn als Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Würzburg in seinen Territorien den Hexenprozessen ein Ende setzte. Dem widerspricht nicht, dass für ihn auch politische Einflüsse und soziale Überlegungen weitere wichtige Gründe waren, ungeachtet der auch ihm 1647 in der Wahlkapitulation auferlegten Verpflichtung die Hexenprozesse einzustellen.

Zum Referenten: Prof. Dr. Friedhelm Jürgensmeier, geb. 1936 in Letmathe / Westfalen; Studium der Theologie und Kirchengeschichte in Rom; 1960 Priesterweihe im Dom zu Limburg; 1967 Promotion an der Päpstlichen Universität Gregoriana; 1973 Habilitation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; dort 1973 bis 1982 Professor Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, 1982-2001 Professor für Historische Theologie: Kirchengeschichte an der Universität Osnabrück; 1980-2013 Leiter des Instituts für Mainzer Kirchengeschichte; zahlreiche Veröffentlichungen zur Frühen Neuzeit und zur Mainzer Kirchengeschichte