Im Rahmen eines Praktikums konnten einige im Stiftsarchiv befindliche Dokumente für die Nutzung und Aufarbeitung durch die Fachwelt und Interessierte erschlossen werden. In zwei Archivkisten lagerten Varia aus unterschiedlichen Epochen und Material. Schnell wurde deutlich, dass es sich um Urkunden mit Bezug zum Stift und dem Untermain handelte.
Bereits während der nötig gewordenen Reinigung konnten Hinweise auf die Herkunft der Schriftstücke gesichert werden. So befand sich darunter ein mit Hand beschrifteter Umschlag, der den ehemaligen Inhalt als Schenkung des Staatsrates von May auswies, und die noch zu Zeiten, als das Aschaffenburger Stiftsarchiv in der Würzburger Residenz verortet war (bis 1938), in den Besitz des Staates Bayern übergegangen war. Einige der Urkunden aus der Sammlung May waren aufgrund ihres relevanten Inhalts in den Bestand des Stiftsarchivs aufgenommen worden, wohl aber nicht alle. So befanden sich unter den so verbliebenen Dokumenten des Stiftes unter anderem vereinzelte pergamentene Kassenrollen aus den Jahren 1614 bis 1631, aus denen sich eventuell Rückschlüsse auf die Kostenstruktur des Kollegiatsstifts unmittelbar vor und während des Dreißigjährigen Krieges ziehen ließen, ein Aushang aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, auf dem diejenigen Stiftskanoniker verzeichnet sind, die turnusmäßig mit der Organisation der Pfründe beauftragt waren (turnus praebendarum) und weitere, teils gebundene papierene Kapitelakten, deren Datierung noch aussteht.
Eine kolorierte Pergamenturkunde des Mutterhauses der Jesuiten in Rom an das von Kronberg zuvor eingerichtete Aschaffenburger Kolleg aus dem Jahr 1625 fiel durch ihre akkurate und aufwändige Gestaltung besonders auf. Ebenfalls aus den Unterlagen der Aschaffenburger Jesuiten stammt eine an den Orden gerichtete Pergamenturkunde des Johann Schweikhard von Kronberg vom 15. Juni 1620.
Neben diesen fanden sich verschiedene Miltenberger Zunftordnungen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, Lehensbriefe, Privilegien an die Benediktinerinnenabtei Schmerlenbach, sowie eine Verkaufsurkunde aus Grünmorsbach von 1599.
Ein aufwändig und repräsentativ gestaltetes Schriftstück aus diesem Fundus ist ein Adelsdiplom für Ignaz Anton Reichert, Kurpfälzischer Regierungs- und Appellationsgerichtsrat, das ihm 1790 ausgestellt wurde. Mit einem handkolorierten Wappen der Leininger ist die gebundene Pergamenturkunde in einen hellblauen seidenen Umschlag integriert und mit einem Prunksiegel versehen, das durch eine große Silberkartusche mit graviertem Wappen geschützt ist.
Ein Dokument, das von nicht offizieller Stelle ausgestellt wurde, ist aufgrund seiner Gestaltung allerdings ein umso interessanteres Zeugnis für das Kunsthandwerk des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Ein großformatiges Empfehlungsschreiben eines Würzburger Mainschiffers an seinen aus Miltenberg stammenden Schiffknecht, der ihm ein Jahr gedient hat, ist überreich mit kolorierten Handzeichnungen mit Bezug auf die Schifferzunft versehen. Das Schriftstück, das zum Zweck hatte bei dem nächsten potentiellen Arbeitgeber Eindruck zu machen, erfüllt diesen bis heute und darf zugleich als ein Werk der lokalen Volkskunst gelten. Zudem zeugt es vom Stolz und dem Vermögen dieses Transportgewerbes auf dem Main, die einen derartigen Aufwand für ihre Zunftangehörigen nicht scheuten und sich dazu offenbar auch Schreiber und Kunstmaler leisten konnten. Letzterer hat seiner Phantasie freien Lauf gelassen und anstelle der auf dem Main navigierenden Frachtkähne stolze Galeeren der Marine abgebildet. Mit ihren Barteln typisch für den Main jedoch sind die beiden Abbildungen der Welse, einen davon scheint der aufrecht stehende und von den zwei regionaltypischen Schreitvögeln Reiher und Storch flankierte Moenus-Neptun gerade bezwungen zu haben. Der Inhalt des Empfehlungsschreibens ist dahingegen vergleichsweise banal:
„Ich Endes unter Schriebener bescheinige Das der Ehrsame FRANTZ IONAS SCHULTZ [gennannt Dobes] Schieffknecht gebürdig von miltenburg Anno 1793 Den 16t December sich auf meine Schieferey verdungen und ein Jahr lang zünfftig bei mir gethinet bis Anno 1794, 16t December sich also bey mir verhalden daß ich ihm nicht das geringste nachtheiliges oder vielweniger jemand antres sage. Werer wolle ihm Etwas untüchtiges Weis nach zu sagen wie wol er auch das meinige bestens besorget und in acht genommen, so wie oben nanter Frantz Jonas Schultz von Miltenburg gebürtig mich bittlich ersuchet um ein glaubwürdiges Attestat seiner Verhaltung und guther Aufführung, so habe ich ihm nicht verhinderlich seyn wohlen als erziehmt an alle und jede Zunfftgenossen deren Schiffer und die der Profesion zu getahen und mit gewissenn mein ersuchen und begehren, diesen ober nanden Frantz jonas Schultz ferner in Condicion auf und anzu nehmen bestens Recomentirt sein zu lassen, zu mehrerer Versicherung habe ich mich Eigen handig unterschrieben und mit meinem betschaft bekreftiget, so geschehen Wirtzburg d 16t December 1794
Johannes Hörmig, Schif Man“
Eine weitergehende Erschließung und die Digitalisierung ausgewählter Schriftstücke ist vorgesehen. Sie versprechen interessante Einblicke in den beruflichen und privaten Alltag im Spessart und am Untermain, und dürften die bereits gut dokumentierte Verwaltungsstruktur des Stifts Sankt Peter und Alexander um einige Details ergänzen können.
Julius Goldmann
Vielen Dank für Eure erfolgreiche und beeindruckende digitale Arbeit.
Ein paar bedeutende und zu Artikeln passende Fotos/Bilder/Scans könnt Ihr gerne noch dem Archiv von Commons und/oder Wikipedia zur Verfügung stellen.
Ein sehr interessanter Beitrag, der einen Einblick in die Urkundenschätze des Aschaffenburger Archivs gibt.