Im folgenden Beitrag findet sich der Wortlaut der Einführung in das neue Kinderbuch (Buchvorstellung am 27.9.2018).

 

Liebe Frau Urtelj, lieber Herr Oberbürgermeister,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Sie meinerseits ganz herzlich hier begrüßen.

Wie können wir Archivarinnen und Archivare unsere Tätigkeit an ein jüngeres Publikum vermitteln? Wie können Schülerinnen und Schüler an die Arbeit mit Archivquellen herangeführt werden – um etwa schulische Arbeiten oder Projekte bearbeiten zu können, um am jährlichen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilnehmen zu können, oder auch: um sich ein Bild davon zu machen, ob ein Studium der Geschichte oder eine spätere Arbeit im Archiv in Frage kommt. Auch hier im Stadt- und Stiftsarchiv werden spezielle Führungen für Schulklassen angeboten und Projekte unterstützt.

Beweggründe für eine solche „Archivpädagogik“ gibt es einige. Die Archivpädagogik ist vor noch gar nicht so langer Zeit als eine der „Kernaufgaben“ für die Archive erkannt worden. Mit anderen Worten: es hat gedauert. Erst das gestiegene Interesse an der Aufarbeitung der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat seinen Teil dazu beigetragen.

Sie finden den Begriff Archivpädagogik mittlerweile, gerne in Verbindung mit der Gedenkarbeit oder Erinnerungskultur, auch in Archivgesetzen der Bundesländer und städtischen Archivsatzungen verankert. Es gibt bundesweite Arbeitskreise für Archivpädagogik; Konferenzen beschäftigen sich mit der Anbindung von Realschulen und Gymnasien an die Welt der Archive. Dazu gehören dann auch, zumindest in großen Archiven, eigene Archivpädagogen: das sind oft Archivarinnen (und weniger Archivare, um ehrlich zu sein), manchmal aber auch teilweise dafür frei gestellte Lehrerinnen und Lehrer. Sie bieten Kurse an und erarbeiten Angebote. Manche Archive, wie das Stadtarchiv in Mannheim (das zu den innovativsten Archiven in Deutschland zählt), haben ihre Pädagogik-Abteilung umbenannt: das läuft dann als sogenanntes „Junges Archiv“. „Junges Archiv“ – da hört man im Hintergrund unsere Verwandten aus den Museen heraus: „Junges Museen“ gibt es allerorten und (natürlich) schon viel länger wie bei den Archiven.

Die didaktischen Angebote der Museen richten sich auch oft zusätzlich an eine Zielgruppe, die wir Archivarinnen und Archivare fast durchweg bisher außer Acht lassen: Jüngere Kinder, vom Kindergarten an bis zum Ende der Grundschule oder bis zum Beginn der weiter führenden Schulen. Gerade bei diesen jüngeren Kindern „fangen“ Sie oft genug noch andere Personenkreise mit ein, wenn ich das so sagen darf, nämlich: die Eltern oder Großeltern unserer sehr jungen Zielgruppe. Wenn jetzt am 3. Oktober, nächste Woche also, über 60 Kinder an Führungen teilnehmen, die vom 12-Stufen-Theater Kleinostheim hier bei uns inszeniert werden, so erhalten auch mehrere Dutzend Erwachsene (ob sie wollen oder nicht) Archiv-Input. Ich freue mich in dem Zusammenhang sehr, dass Frau und Herr Kleemann vom 12-Stufen-Theater heute auch hier sind. Beide wollen das Angebot der inszenierten Führungen mit uns fortführen. Und am 3. Oktober wird auch unser neues Kinderbuch eine Rolle spielen.

Ich hatte eben gesagt, dass jüngere Kinder bisher von der Archivpädagogik eher am Rand betrachtet wurden. Erst seit einiger Zeit gibt es vermehrt Führungen oder kleine Angebote, selbst für Kindergärten.

Was bislang jedoch im deutschen Sprachraum weitgehend gefehlt hat, das sind Kinderbücher über Archive. Überlegen Sie doch einfach mal: Sie werden von Kindern gefragt, was denn ein Archiv ist, was Archivarinnen und Archivare machen? Oder stellen Sie sich einen Archivar vor, der das seinem Kind erklären muss. Fachbegriffe (Kassation, Bewertung, Aktenplan, Paläographie) wirken da eher deplatziert; und Aussagen wie „das Archiv ist wie ein Museum, nur mit mehr alten Papieren“ helfen auch kaum.

Solche Überlegungen standen auch zu Beginn des Kinderbuchs über die Abenteuer der Maus Mitza (der Miska Mica) im Archiv. Das Kinderbuch ist im Jahr 2011 in einer größeren Auflage, 1000 Stück, erschienen. Diese Erstauflage ist vergriffen. Ich freue mich sehr, dass heute eine der beiden Autorinnen, Natasa Budna Kodric, für unsere Buchvorstellung aus Slowenien angereist ist.

Die Maus Mitza steht im Buch stellvertretend für alle Neugierigen und die jüngeren „Entdecker“ des Archivs, seiner Magazine, seiner Quellen und seiner Besonderheiten. Der Archivgeist Ferdinand (im Buch: Ferdi) erklärt der Maus die Geheimnisse des Archivs, er führt die Maus zu den Urkunden. Er erklärt ihr, dass man früher Dokumente mit einem Siegel beglaubigt (und nicht unterschrieben) hat. Der Lesesaal des Archivs wird in den Fokus gerückt. Die Maus erfährt nebenbei, wie man sich im Archiv verhalten sollte; und sie hört einige neue Fachbegriffe, die kindgerecht erklärt werden.

Das slowenische Kinderbuch hat in letzter Zeit dort zwei Fortsetzungsbände erhalten, die verschiedene Aspekte in den Blick nehmen: einmal die unterschiedlichen Arten von Archivalien; da gibt es ja eine ganze Menge, dann Fragen der Konservierung und Bestandserhaltung. Das dritte Buch nimmt einen anderen Aspekt in den Blick. Der Titel sagt schon etwas: Die Maus Mitza und ihre ägyptischen Vorfahren vom Schloss Fuzine. Es geht hier um, ja genau, Migration, aber auch um genealogische Forschungen – und um etwas, was auch zum aktuellen Jobprofil von Archivarinnen und Archivaren gehört: den Umgang mit elektronischen Unterlagen und der Digitalisierung.

Ein breites Spektrum also, das hier in den Blick genommen wird. Für die drei Kinderbücher hat das größte slowenische Archiv, das Historische Archiv Laibach, so etwas wie die Schirmherrschaft übernommen. Die anderen Regionalarchive und auch das slowenische Kultusministerium unterstützen das Projekt. Die Maus Mitza hat Eingang in den Schulunterricht an manchen Schulen gefunden; es fanden Theateraufführungen des Stoffes statt und die Verarbeitung in ein Puppentheaterstück. Die Maus und der Geist Ferdi sind sozusagen Teil des Corporate Designs des Historischen Archivs geworden. Und auch deshalb ist es schön, dass der aktuelle Direktor des Archivs, Mitja Sadek, heute ebenfalls hier bei uns ist.

Die Zeichnungen für alle drei Bücher hat allesamt die Zeichnerin Tina Brinovar erstellt. Sie hat sich in Slowenien als Illustratorin einen Namen gemacht und sie werden im Kinderbuch sehen, warum. Für unsere deutsche Ausgabe hat sie eine neue Zeichnung für die Umschlag-Innenseiten ergänzt.

Unserem Hausverlag, der Verlagsdruckerei Schmidt, danke ich für die Unterstützung bei der Herausgabe der „Maus Mitza“.

Es ist besonders schön, dass Frau Urtelj als Vertreterin der Republik Slowenien heute hier in Aschaffenburg ist. Liebe Frau Urtelj, betrachten Sie bitte das Buch auch ein klein wenig als Beitrag zur bayerisch-slowenischen Zusammenarbeit im Kultur- und Archivbereich. Für die Nichteingeweihten: der frühere Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns, Hermann Rumschöttel, war nicht nur langjähriger Präsident der bayerisch-slowenischen Gesellschaft, sondern hat auch die Zusammenarbeit zwischen den Archiven beider Länder stark gefördert. Das wirkt bis heute fort, auf beiden Seiten. Es gibt zwei große Konferenzreihen in Slowenien, an denen seit langer Zeit schon bayerische Archivarinnen und Archivare aktiv beteiligt sind.

Aber damit möchte ich es jetzt belassen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre (oder beim Vorlesen) des neuen Kinderbuchs!

Dr. Joachim Kemper