Die Benennung einer Straße ist eine der höchsten Ehrungen, die eine Stadt vergeben kann. In Aschaffenburg sind rund 300 Straßen und Plätze nach Personen und Familien (oder Heiligen …) benannt. Wer sind die Menschen zu diesen Namen? Wie kommen sie zu der Ehre? Wie geht die Stadt Aschaffenburg mit diskussionwürdigen Straßennamen um? Antworten auf diese Fragen liefert die Ausstellung „Ehre, wem Ehre gebührt!? Personenbezogene Straßennamen in Aschaffenburg“ im Schönborner Hof – und bietet darüber hinaus Anregungen hinsichtlich der Frage „Was hat das mit mir zu tun?“.
Eröffnung: Dienstag, 27. Juni, 18:00 Uhr – Anmeldung erforderlich unter: stadtarchiv@aschaffenburg.de
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 11-16 Uhr; Samstag/Sonntag, 1./2. Juli, 5./.6. August: 11-16 Uhr. Zusätzlich während der Museumsnacht geöffnet
Kuratorenführungen:
Sonntag, 2. Juli, 11:00 Uhr
Mittwoch, 5. Juli, 15:00 Uhr
Wir haben uns als Innenstadtbewohner die Ausstellung gestern, nur kurz vor ihrem Ende, im Schönborner Hof angesehen. Ausweislich des ausliegenden Gästebuchs kam die Ausstellung sehr gut an, bei uns auch. Sie hat tatsächlich zum Nachdenken angestoßen. Gute Darstellungen und viel Text, den jeder auf sich wirken und ihn analysieren kann (wenn er sich durch die den Lesefluss enorm störenden Gendersternchen gekämpft hat). Vielen Dank für den Einblick in die Intentionen, die hinter den Umbenennungswünschen stecken und die Ergebnisse der Ermittlungen. Teils sind letztere sehr überzeugend, was einen wirklichen Anlass zu einer Umbenennung anbelangt (Becker, Pfeifer, Scheppler), teils war das präsentierte Ergebnis überaus dünn und die gegebenen Begründungen schon in sich nicht plausibel (Heim, Roth, Dinges). Beim ersten gibt es überhaupt keine Fakten, beim zweiten unrichtige( Feldwebel = Offizier), deshalb Führungskraft und mutmaßlich Anteil, also Mitwirkender, Bestimmender an verurteilungswürdigen Zuständen und Vorgängen am Einsatzort. Sehr weit hergeholt und zwanghaft wirkend.
Im Stadtrat scheint das keinen weiteren Diskussionsbedarf ausgelöst haben, als er am 19.06.2023 -also vor der gelungenen Information der Allgemeinheit über die Details in dieser Ausstellung- beschloss dem Vorschlag der Experten zu folgen.
Ernst gemeinte Bürgerbeteiligung sieht sicher anders aus. Der Drops war schon vor der Ausstellung längst gelutscht. Die betroffenen Anwohner dürfen aber jetzt immerhin bei der Findung neuer Namen für ihre Straßen unter Hilfestellung der Experten ( offenbar eine Art fachlich und moralisch übergeordneter Ethikrat) mitwirken! Das ist gelebte Demokratie. Offenbar gibt es nur noch keine wirklich dringend zu verewigenden Kandidatinnen. Sonst würden die Vorschläge ja auf dem Tisch liegen, wobei ich es sehr unterstützen würde, wenn einfach mal die nächsten 10 neu zu vergebenden Straßennamen an geeignete Frauen mit lokalem Bezug gehen würden, bisher sind die eindeutig zu kurz gekommen. Das macht die Ausstellung sehr deutlich.
Ich vermute, die Familien der Betroffenen ( diese selbst haben ja weder die Ehrung noch die Streichung derselben erlebt) der bisher Verewigten, sind auch nicht irgendwie in den Prozess eingebunden gewesen, auch wenn sie -neben den Anwohnern- sicher die am meisten Betroffenen sein werden. Schließlich ist ihr Vorfahr, bisher ein offenbar überaus angesehener Mann, jetzt nachträglich als unwürdig irgendwelcher Ehrungen seiner Lebensleistung anzusehen. Neudeutsch läuft so etwas unter cancelling und ist für die Familien der Betroffenen viel Schlimmer, als wenn nie eine Straße nach ihrem Ahn benannt worden wäre.
Es liegt nur so 20 bis 50 Jahre zurück, dass das gleiche Gremium Stadtrat (nach sorgfältiger Prüfung wie heute?) die Abberufenen für besonders würdig hielt, verewigt zu werden. Wir wollen für seine heutigen Mitglieder hoffen, dass ihr Entscheid in 20 oder 50 Jahren noch Bestand haben wird unter den dann geltenden moralischen Maßstäben.
Fazit: Gut gemachte, sehr interessante Ausstellung, für ihren Gegenstand gab es keinen wirklich dringenden Anlass und ihr timing war sicher ungünstig gewählt. Trotzdem weitermachen mit Ausstellungen und Programmen, die etwas polarisieren. Langeweile braucht kein Mensch!
Sehr geehrter Herr Ackermann,
vielen Dank für Ihr Kommentar und Ihre kritischen Bemerkungen. Wir freuen uns sehr, dass Ihnen die Ausstellung gefallen und zum Nachdenken angeregt hat. Wie im Fall von Straßenumbenennungen in anderen Städten wurde auch im Fall Aschaffenburgs eine wissenschaftliche Untersuchung vor allem auf der Basis amtlicher Dokumente und der verfügbaren Literatur durchgeführt, deren Ergebnisse öffentlich vorliegen und diskutiert werden können. Der von Ihnen verwendete Begriff „Cancelling“ ist daher unangebracht; das Stadt- und Stiftsarchiv hat zudem bereits mehrere partizipative Projekte zur Geschichte der Stadt und Region initiiert (digitales Stadtlabor, Heimathub), an denen viele historisch interessierte Bürger:innen aktiv beteiligt sind. Die gemeinsame Erforschung der Vergangenheit ist ein zentrales Anliegen des Archivs.
Mit freundlichen Grüßen
Vaios Kalogrias
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Vor 74 Jahren schrieben unsere Väter als ersten Satz in das Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dies gilt für lebende, gleichwohl auch für verstorbene Menschen.
Einem Menschen die Ehre zu nehmen entwertet sein Leben. Genau dies soll meinem Verwandten Valentin Pfeifer postum widerfahren. Es wird ein Verfahren gegen ihn eröffnet, ohne es als solches zu benennen. Anklage gegen ihn erhoben, ohne denen, die ihm hätten beistehen können, das Recht der Verteidigung einzuräumen. Aufgaben wurden so verteilt, dass keinem eine persönliche Verantwortung beim Schuldspruch zufällt.
Das erinnert leider an Zeiten, die sich in Deutschland nie wiederholen dürfen. Erschüttert schaue ich über die hessisch-bayerische Landesgrenze auf meine geliebte Heimatstadt Aschaffenburg.
Claus-Dieter Sterr
Sehr geehrter Herr Sterr,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Die Empfehlung des Fachbeirats für die Straßenumbenennung erfolgte im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung. Die Ergebnisse sind öffentlich einsehbar unter https://aschaffenburgzweinull.stadtarchiv-digital.de/dossier-valentin-pfeifer/
Mit freundlichen Grüßen
Vaios Kalogrias